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Verlag Traugott Bautzwww.bautz.de/bbkl
Band VI (1993)Spalten 372-374 Autor: Walter Sparn

MUSAEUS, Johannes, einer der angesehensten evangelischen Theologen des 17. Jh.s und Begründer einer Jenenser Richtung des orthodoxen Luthertums, * 7.2. 1613 in Langewiesen bei Ilmenau als Sohn eines Pfarrers, Urenkel von Simon M. (+ 1576) und Bruder von Peter M. (1620-1674), + 4.5. 1681 in Jena. - M. besuchte die Lateinschule in Arnstadt, studierte ab 1633 in der artistischen Fakultät Erfurt und in Jena (D. Stahl), wo er 1635 philosophischer Magister wurde und sich dann dem theologischen Studium widmete. 1643 wurde er Professor für Geschichte und Poesie und ging 1646, zugleich zum Doktor der Theologie promoviert, in die theologische Fakultät über. Obwohl M. sich stets für einen orthodoxen Lutheraner im Sinne der Konkordienformel gehalten hat, geriet er und die von ihm geführte Jenaer Fakultät sogleich in Streit mit den sächsischen Theologen, vorab A. Calov, die eine Ausgrenzung der Helmstedter, von G. Calixt geprägten »synkretistischen« Theologie verlangten. M. verhinderte den dafür nötigen Theologenkonvent und widersetzte sich auch dem kursächsischen »Consensus repetitus fidei vere Lutheranae« von 1655. Allerdings hat M. den Calixt'schen Synkretismus, d.h. die Nivellierung der konfessionellen Differenzen auf der Basis der altkirchlichen Simplizität, keineswegs gebilligt, doch stand er der Methodologie Calixts (Unterscheidung zwischen dem theologischen Habitus und der persönlichen Frömmigkeit; logisch und ontologisch präzise Begrifflichkeit in der Theologie; keine Ausweitung des Fundamentalen auf den gesamten Konfessionsbestand; vielmehr historische und systematische Differenzierung) näher als Calov, wie überhaupt in Jena ein gewisser Einfluß Helmstedts unverkennbar ist. Überdies gab M. der »natürlichen Theologie« eine neue, eigenständige Bedeutung in der theologischen Prinzipienlehre, was eine positivere Einschätzung einschloß, und dementsprechend bestimmte er auch die natürliche sittliche Disposition des Menschen im Blick auf seine Befähigung, zum übernatürlichen Glauben bekehrt zu werden, differenzierter als andere. Die Wittenberger Vorwürfe, er philosophiere mehr als er Theologie treibe und sei ein »Doctor mediator«, waren daher nicht einfach unberechtigt. Die durch Jahre andauernde Polemik veranlaßte die sächsischen Herzöge zu einer Visitation Jenas, in deren Folge auch M. eine neue Verpflichtungsformel unterschreiben mußte, die den dogmatischen Dissens mit den Reformierten wieder als fundamental, die Brüderschaft mit ihnen mithin als »verdammlichen Synkretismus« fixierte. - Selbstverständlich beteiligte sich M. an der kontroverstheologischen Auseinandersetzung mit den Reformierten auf der Grundlage der lutherischen Dogmatik, z.B. der Lehre von der Realpräsenz Christi im H. Abendmahl, der universalistischen Erwählungslehre, aber auch der sorgfältigen Begrenzung des Gebrauchs rationaler Prinzipien in theologischen Kontroversen. Ohnedies wandte sich M. auch gegen katholische Kontroverstheologen (V. Erbermann, J. Kedde, J. Masenius), vor allem gegen die Bestreitung des Schriftprinzips und die römisch-katholische Ekklesiologie. Ebenso entschieden trat M. gegen die Sozinianer sowie gegen die arminianische These von der möglichen Seligkeit der Heiden auf. M. nahm, und dies kennzeichnet ihn besonders deutlich, regen Anteil an den religiösen und philosophischen Entwicklungen und Brüchen seiner Zeit: Zweifellos richtig beurteilte er die Anfang der 70er Jahre in Jena auftretende Sekte der »Gewissener« (M. Knutzen) als radikalen Spiritualismus; gegen Herbert von Cherbury machte er geltend, daß das »natürliche Licht« deshalb nicht zum Heil ausreiche, weil es Sündenvergebung nicht geben könne; anders als Spinozas »Tractatus theologico-politicus« (1670) konnte er sich die völlige Abkoppelung religiöser Praxis von politischer Ordnung schlechterdings nicht vorstellen. - 1679 schloß M. seine reiche literarische Produktion mit einer »Einführung in die Theologie« ab, die am ehesten sein theologisches Profil im ganzen erkennen läßt; sein Schwiegersohn und Nachfolger J.W. Baier gab 1686 noch ein ähnlich umfassendes »Compendium theologiae positivae« aus M.' Werken und Nachlässen heraus. Obwohl M. eindeutig dem voraufklärerischen 17. Jh. angehört, hat die frühaufklärerische Eklektik, z.B. in Gestalt von J.F. Budde, in dem von ihm bis ins frühe 18. Jh. geprägten Jena eine besonders gute Pflegestätte gefunden.

Werke: (sämtliche Jena): Disquisitio philologica de stylo Novi Testamenti, 1641; De usu principiorum rationis et philosophiae in controversiis theologicis libri III, 1644; Disputatio de aeterno dei decreto an absolutum sit, 1646; Verteidigung des unbeweglichen Grundes, dessen der Augsburgischen Confession verwandte Lehrer zum Beweis ihrer Kirchen sich gebrauchen, 1654; Tractatus theologicus de conversione hominis peccatoris ad Deum, 1661; Biblia Lutheri auspiciis Ernesti Ducis ... glossis ac interpretationibus illustrata, a Viti Erbermanni iterata maledicentia vindicata, 1663; De Sacra Coena sintne corpus et sanguis Christi in ea realiter praesentia? dissertatio, 1664; De aeterno electionis decreto an eius aliqua extra Deum causa impulsiva detur necne, 1668; Examen Cherburianismi, Sive de luminis naturae insufficientia ad salutem, 1668; Tractatus de ecclesia, 1671; Bericht, welchergestalt die Lehre von der Buße nützlich mit gutem Bestande nach Gottes Wort müsse vorgetragen und nach demselben mit den Zuhörern verfahren werden, 1672; (zus. mit Christian F. Knorr) Tractatus theologico-politicus ... ad veritatis lancem examinatus, 1674; Ablehnung der ausgesprengten abscheulichen Verleumdung, ob wäre in der Fürstl. Sächsischen Residentz und gesambten Universität Jena eine neue Secte der so genannten Gewissener entstanden, 1674; Theses de coniugio theologicae, 1675; Der Jenaischen Theologen ausführliche Erklärung über 93 vermeinte Religionsfragen oder Kontroversien, 1677; Quaestiones theologicae inter nostrates hactenus agitatae de Syncretismo et Scriptura Sacra, 1679; Introductio in theologiam, qua de natura theologiae naturalis et revelatae, itemque de theologiae revelatae principio primo, Scriptura Sacra, agitur, 1679; Praelectiones in epitomen Formulae Concordiae, 1701.

Lit.: Carl Stange, Zur Theologie des Musäus, 1897; - Otto Ritschl, Dogmengeschichte des Protestantismus IV, 1927; - Hans Leube, Kalvinismus und Luthertum I, 1928, 347 ff.; - Karl Heussi, Geschichte der Theologischen Fakultät zu Jena, 1954, 137ff.; - ADB XXIII, 84 f.; - RE3 XIII, 572 ff.; - RGG3 IV, 1193.

Walter Sparn

Letzte Änderung: 18.09.1998